Transmediale Narration

Der Begriff „Crossmedial“ ist als Eigenschaft von einem Alternate Reality Game definiert. Die Abgrenzung von „crossmedial“ zu „transmedial“ ist sehr schwer, da diese beiden Begriffe in der Medienwissenschaft oft synonymhaft verwendet werden. Transmediale Narration meint also nichts anderes, als dass Nachrichten, ja sehr oft sogar ganze Geschichten, über verschiedene Medienkanäle soweit und effektiv wie möglich verbreitet werden (vgl. Weschke 2010a, S. 2).

„Konvergenz“: Zusammenwachsen von Medien und Kulturtechniken

Henry Jenkins spricht in seinem Buch „Convergence Culture“ demnach von einer Konvergenz der Medien: „In the world of media convergence, every important story gets told, every brand gets told, and every consumer gets courted across multiple media platforms“ (Jenkins 2006, S. 3).

Beispiele: „Narrativität“ in populären Kinofilmen

Jedes einzelne Medium, das in einem ARG zum Einsatz kommt, tut das was es am besten kann. Durch diesen medial übergreifenden Erzählungsprozess vertieft sich eine Geschichte sehr stark. So kann z.B. ein Film erste Eindrücke über ein Thema vermitteln, welches dann in Communities und Social Networks genauer diskutiert wird. Ein Hinweis via SMS bringt die Spieler vom Internet dann in die reale Welt, um dort weiter nach anderen Hinweisen zu suchen. So nehmen das Spiel, und auch die transmediale Narration dann weiter ihren Lauf. Dabei allerdings wichtig zu erwähnen ist, dass es hierbei nicht das Ziel gibt, so viele Medien wie möglich einzusetzen, sondern, die Medien, die man einsetzt, gemeinsam mit deren spezifischen Qualitäten zu nutzen (vgl. Weschke 2010a, S. 2).

Ein sehr gutes Beispiel für transmediale Narration bietet „The Matrix“ von den Wachowski Brüdern. In einem animierten Kurzfilm versucht eine Hauptdarstellerin namens Jue, eine Nachricht in die Hände der Nebuchadnezzar-Crew zu bringen und lässt dabei ihr Leben. Die letzten Momente dieses Kurzfilms zeigen wie Jue einen Brief mit wichtigen Informationen in einen Briefkasten wirft. Dieser Handlungsstrang wird im Spiel „Enter the Matrix“ aufgegriffen und fortgesetzt. Dort handelt die erste Mission des Spielers davon, diesen wichtigen Brief zu erlangen, um ihn dann an die Nebuchadnezzar-Crew weiterzugeben. Die Hauptdarsteller im Spiel sind Niobe und Ghost – zwei Charaktere, die in den Filmen nur kleine Nebenrollen sind. Die beiden sind die Führer des anderen „Hovercrafts“ – der „Osiris“. Zu Beginn des zweiten Filmteils „The Matrix Reloaded“ diskutieren die Crewmitglieder der Nebuchadnezzar über letzte Übertragungssignale der „Osiris“. Dieser kurze Handlungsstrang im Film führt eindeutig auf die Mission im Spiel „Enter the Matrix“ zurück (vgl. Jenkins 2006, S. 104).

„Transmedial“ über verschiedene Medien verteilt

Was hierbei klar herausgeht, ist, dass die Handlung von Matrix über mehrere Medien erzählt wurde. Die Handlung in den einzelnen Medien per se, kann als solche auch allein konsumiert und verstanden werden. Um die Mission im Spiel erfolgreich zu absolvieren, muss man nicht unbedingt den animierten Kurzfilm gesehen haben. Bei manch anderen Beispielen klären sich gewisse Details allerdings erst auf, wenn das Publikum die Handlung über mehrere Medien konsumiert. So ist es vielen Zusehern von „The Matrix Reloaded“ sicher unklar gewesen, warum die Charaktere zu Beginn über die letzten Übertragungssignale der „Osiris“ diskutieren. Nur wenn sie das Spiel gespielt hätten, wüssten sie warum der Film mit diesem Dialog beginnt.
Dieser kleine Handlungsstrang zu Beginn hat natürlich wenig Einfluss auf die fortwährende Handlung von „The Matrix Reloaded“ und ist deshalb von den Wachowksi Brüdern so inszeniert worden, dass gewisse Zuseher die Möglichkeit haben, tiefer in gewisse Details eindringen zu können. Dadurch wollten sie bewusst die Aktivierung der Zuseher des Films, nebenbei auch auf andere Handlungsstränge in anderen Medien lenken (vgl. Jenkins 2006, S. 104).

„Involvement“ der Mitspieler

Durch diese Aufteilung der Handlung auf mehrere Medien, ist es den Medienkonsumenten, und somit auch den Spielern eines ARGs, möglich, selbst zu entscheiden, welche Teile der Handlung sie bewusst aufnehmen und verfolgen wollen und welche nicht. Dies führt auch automatisch zu einer höheren Aktivierung (engl.: Involvement) und auch zu mehr Freiheit beim Konsumieren/Spielen (vgl. Weschke 2010a, S. 2). Und gerade diese “Freiheit beim Spielen” ist ein wesentliches und vor allem wichtiges Merkmal eines Spiels, wie es Johan Huizinga in seinem Buch “Homo ludens” aus dem Jahr 1938 bereits anführte (vgl. Huizinga 2006, S. 16).

Transmedial erzählt wurde allerdings auch schon vor der Jahrtausendwende – in dem Film „The Blair Witch Project“. Hier wird gezeigt, wie eine dreiköpfige Gruppe von Studenten versucht, die Spuren der Hexe von Blair (die „Blair Witch“) zu verfolgen und ihre Hintergründe zu erforschen. Der Film besteht rein aus der Videodokumentation der Studenten. Durch äußerst mysteriöse Umstände verschwinden diese Studenten und tauchen nie wieder auf.
Doch bereits ein Jahr vor dem Filmstart dieser „Low-Budget“-Produktion wurden bereits Fangemeinden auf der Internetseite „www.blairwitch.com“ gebildet, obwohl zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht erwähnt wurde, dass es später einen Film dazu geben wird. Augenzeugenberichte und mythische Hintergründe zur „Blair Witch“ füllten die Diskussionsforen mit ausreichend Gesprächsstoff. Auf der Website befanden sich auch Ausschnitte aus Nachrichtensendungen, in denen über das Verschwinden der Filmstudenten berichtet wure. Dem Publikum wurde ebenfalls laufend mehr Material der Filmstudenten gezeigt, je näher das Release-Datum des Films rückte (vgl. Weschke 2010a, S. 3 f).
Durch diese transmediale Erzählung einer Geschichte wurde eine Basis gelegt, die letztendlich auch wesentlich zum Erfolg dieser Produktion (weltweite Einnahmen: 249 Millionen Dollar (vgl. Weschke 2010a, S. 3) beitrug.

Beispiel: Alternate Reality Game (ARG) „Das Buch 2011“

Am Beispiel für das in diesem Blog dokumentierte ARG von der Marke Vöslauer mit dem Titel „Das Buch 2011“ kann man auch transmediale Erzählungen zeigen. Im Spiel und vor allem bei den Rabbit Holes dieses Spiels wurden Andeutungen gemacht, dass dieses Spiel auf Recherchen einer unbekannten Autorin basiert. In den Rabbit Holes bekamen die „Core Gamer“ mysteriöse Postkarten zugesendet, die so getextet waren, als würden sie von einer/einem alten Bekannten kommen, den man schon jahrelang nicht gesehen bzw. gehört hat. Weiters wurden während des Spiels Ausschnitte eines zusammenhängenden Briefes veröffentlicht, die ebenfalls auf eine Person hindeuteten, die sich viele Gedanken zum Thema „Jugend“ und „Wasser“ machte. Bei einem Rätsel wurden sogar Blogbeiträge im Namen dieser fiktiven Autorin veröffentlicht. Diese Beiträge wurden als eine Art „Recherche“ zu einem Buch dargestellt.

Finale von „Das Buch 2011“ führte zu Vöslauer-Kampagne

Da dieses ARG der Vorreiter der großen Kampagne von Vöslauer war, folgte nach der Auflösung des Games ein Kurzfilm. In diesem Film sah man, wie diese Autorin für ihr Buch recherchiert – dies war also der transmediale Übergang vom ARG bzw. von dem Medium „Internet“ zum Medium „Film“. Das gesamte Spiel basierte also auf der Handlung des Kurzfilmes, der dann die große, klassische Kampagne von Vöslauer einleitete.

Quellen:

Huizinga, Johan (2006): Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel, 20. Auflage, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH

Jenkins, Henry (2006): Convergence Culture: where old and new media collide, New York: New York University Press

Weschke, Diana (2010a): Transmediale Narration im Kino – Von den Anfängen bis zu Alternate Reality Games am Beispiel von “The Dark Knight”, Norderstedt Deutschland: GRIN Verlag